Hinaus in die Welt: Mit individuellen Abi-Jahrgangsmünzen
Am Evangelischen Gymnasium Hermannswerder in Potsdam erhalten die Abiturienten zum Abschluss ihrer Schulzeit eine hochwertige Jahrgangsmünze
Kaum Präsenzunterricht, keine Kursfahrten, kein Abiball – die Abiturjahrgänge 2020 und 2021 mussten auf Vieles verzichten. Wenigstens ideell wollte der Schulleiter eines Potsdamer Gymnasiums diese herben Verluste seiner Schüler kompensieren – mit einer individuell geprägten Münze zum Abitur für jeden einzelnen Schüler samt Namen.
„Eine Münze als Abschlussgeschenk passt hervorragend zu uns“, sagt der Direktor. Denn zum einen kenne er diese Art Abi-Jahrgangsmünze von anderen Schulen. Zum anderen sei seine Schule ein Haus mit Tradition, gegründet vor mehr als 100 Jahren.
Tradition haben auch individuell geprägte Münzen. Erwiesenermaßen seit der Antike sei es belegt, dass aus bestimmten Anlässen Münzen vergeben wurden, sagt der Schulleiter. Ob als Gedenk- oder Erinnerungsmünzen, was zählt, sei der ideelle Wert. „Wir sind eine Traditionsschule, da passt eine traditionelle Jahrgangsmünze aus meiner Sicht dazu“, meint der Pädagoge.
Zumal die individuelle Schulmünze den aktuellen Gegebenheiten insofern Rechnung trägt, dass jedes Jahr ein anderer Begleitspruch auf ihr abgebildet wird. Auf der Vorderseite ist immer die Schule zu sehen, die bleibt immer gleich. Die Rückseite der Jahrgangsmünze verändert sich minimal aufgrund des variierenden Spruches.
2020, im ersten Jahr der Schulmünze, habe man sich für eine Textstelle aus dem Neuen Testament entschieden, ein Zitat des Apostel Paulus. In diesem Jahr, 2021, fiel die Wahl auf eine Passage aus dem Alten Testament. Das Zitat werde immer sehr sorgfältig überlegt, dann es soll zur jeweiligen Zeit und dem Abitur-Jahrgang passen.
Eine Krone, zwei Lesarten
„Das ist jetzt das zweite Jahr hintereinander, dass wir eine Abi-Jahrgangsmünze machen lassen, für uns ist das also eine recht junge Tradition“, erzählt der Direktor. Das Layout habe man fast unverändert übernommen – bis auf den Begleitspruch. Der stammt aus dem 2. Buch Samuel und lautet „Der Herr ward mein Halt. Er führte mich hinaus ins Weite.“
In der Mitte der Erinnerungsmünze sind die Worte „Abitur 2021“ sowie der jeweilige Name des Schülers oder der Schülerin eingraviert, darunter leuchtet das alte christliche Fisch-Symbol „ichthys“ (griechisch: ΙΧΘΥΣ), basierend auf einem christlichen Menschenbild entsprechend der Tradition des Gymnasiums.
Wenn man ganz genau hinschaut, entdeckt man unter dem Fisch ein winziges Krönchen (lateinisch: corona). Eine doppeldeutige Aussage, meint der Schulleiter. Denn einer der Auslöser für die Wahl des alttestamentarischen Satzes war die Corona-Pandemie – schließlich habe nichts die letzten beiden Schuljahre der Jugendlichen so geprägt wie diese gesamtgesellschaftliche Krise. Man könne die winzige Krone aber auch so verstehen: die Jahrgangsmünze als Krönung der Schullaufbahn.
Egal, für welche Lesart die Abiturienten sich entscheiden, ob für das Corona-Memorial oder die Erinnerung an diese von Corona geprägten Schuljahre, auf jeden Fall bedeutet der Schulabschluss, dass sie die Enge ihres bisherigen Daseins verlassen und herauskommen: hinein ins Leben, hinaus in die Welt.
Die Jahrgangsmünze : Ein bisschen exklusiv
„Das Besondere an unseren Münzen für die Abiturienten: Sie sind individualisiert. Ein paar haben wir ohne Namen bei derTaler bestellt, die vergeben wir an die Tutoren, die Lehrer, die die Abiturienten in den letzten zwei Jahren betreut haben“, erklärt der Schulleiter. „Ich wusste gar nicht, dass so etwas überhaupt geht, darauf hat uns derTaler gebracht – aber so ist es natürlich viel schöner. Ich finde die Erinnerungsmünzen sehr gelungen.“
Die Menschen seien immer dann zufrieden, meint der Schulleiter, „wenn sie das Gefühl haben, bei aller Gemeinschaft und bei allem Sozialgefüge ein bisschen exklusiv zu sein“.
Und wie kommen die Abi-Münzen bei Schülern und Eltern an? „Sehr gut“, sagt der Schulleiter. „Beim ersten Mal kostete es noch ein wenig Überzeugungsarbeit, bei der zweiten Abi-Münze in diesem Jahr schon nicht mehr.“
Ursprünglich dachte er, das sei eine Art Testballon, gut zu begründen mit der besonderen Corona-Situation, weil gerade diese Abiturienten auf ziemlich viel verzichten mussten. „Doch der Verzichtsgedanke spielt jetzt kaum noch eine Rolle. Wir wollen die Erinnerungsmünzen auf jeden Fall als Tradition beibehalten.“
Abi-Jahrgangsmünzen beim Klassentreffen
Er könne sich auch vorstellen, dass sich aus den Jahrgangsmünzen eine Art Sammelreihe entwickelt. „Wer weiß, vielleicht tauschen sich die Jahrgänge untereinander aus über ihre Münzen.“ Bei späteren Klassentreffen zum Beispiel.
Den jeweiligen Begleitspruch greift der Direktor in seiner Abi-Rede auf. In der Hoffnung, dass er die Schüler auf ihrem Weg begleitet. „Und wenn sie dann in zehn oder 15 Jahren ihre persönliche Schulmünze zur Hand nehmen, um die Erinnerungen an die Schulzeit wachzurufen, dann werden sie sich hoffentlich hauptsächlich an das Gute erinnern.“